Wir haben zwei Herzen in unserer Brust. In der Stadt aufgewachsen,
pflegten wir ursprünglich den Traum, die Bellvue Wiese mitten in der
Stadt Zürich zu beackern. Nun bewirtschaften wir seit über 20 Jahren
diesen wunderbaren Fleck Landschaft mit Sicht auf das Basler Münster !
Auch hier wächst die Stadt und wir werden mehr und mehr zurück gedrängt.
Natürlich verstehe ich all die Familien, die sich ein Haus auf dem Land
bauen, auch ich träumte davon. Nur wenn tatsächlich der Bagger in unser
Pachtland fährt und 100 jährige Kirschbäume achtlos auf die Seite
wirft, macht mich das traurig. Ich begreife, dass es friedlicher und
ungestörter ist beim Waldspatziergang ohne Autos, trotzdem bleibt das
Waldsträsschen mein Heimweg! Komisch wenn ich in meiner Wiese zurecht
gewiesen werde, weil man nicht durchs ungemähte Gras laufen soll. Für uns Bauern wird es eng! Kuhweiden
werden zu Gegnern von Vögeln, die geschützt werden müssen, Kornfelder
zu Gegner von Naturhecken und Umweltschützer zu Gegner der Bauern. Im
Grunde haben wir aber alle das gleiche Ziel, eine intakte Natur und
gesunder Lebensraum. Zum Glück bekommen wir immer wieder Hilfe von
unerwarteter Seite: Danke liebe Nachbarn, dass ihr uns meldet, wenn ein
Kalb auf der Weide geboren wurde, wenn unser Muni auf falschen Pfaden
läuft! Danke den Arbeitern, die unsere Zufahrt bei Wind und Wetter offen
halten für uns, Danke unseren treuen Kunden, die uns mit ihrem Direkt-
Einkauf finanziell unterstützen, Danke den Garten BesitzerInnen, die
ohne murren englische Rasen und Rosenbüsche neu pflanzen nach einem
Kuh-Rodeo, Danke unseren Freunden, die wir immer wieder zu Gratisarbeit
auffordern dürfen, danke den Wanderern, die das agressive Bellen unseres
Hofhundes mit einem freundlichen Gruss beantworten und zuletzt Danke
unseren Kindern, die mit uns durch dick und dünn gehen! Gemeinsam sind wir stark!
Die letzten Tage verbrachte ich mit kurzen Unterbrüchen im Bett, die Frühlingsgrippe hatte mich fest im Griff. Wie immer bei solchen Gelegenheiten ist meine Laune schlecht und ich langweile mich! Plötzlich weckt mich wildes Hufgetrampel und lautes Wiehern von unterhalb meines Zimmers. Ich biege mich aus dem Fenster und sehe einen wunderbaren braunen Hengst sehr verwirrt das Strässchen hinauf und hinunter rennen. Offenbar ist das Tier irgendwo durchgebrannt. Eindrücklich diese wilde Kraft zu sehen und dabei bin ich froh, im sicheren 1. Stock unseres Hauses zu sein! In etwa 100 Meter Entfernung, auf der Weide sehe ich nun 13 Augenpaare ebenfals in Richtung des Hengstes schauen. Alle unsere Kühe stehen sehr dicht beieinander, die Frauengruppe hinten, zwischen ihnen ihre Kinder und ein Bisschen vor allen der grosse starke Muni, unser Urbi. Einerseits scheint es die Frauen und Kinder suchen Schutz hinter dem breiten Schultern von Urbi, andererseits sind sie alle bereit, wenn nötig ihm von hinten den Rücken zu stärken! Dieses Bild von dieser starken Sippe berührt mich tief. So sollten eigentlich auch unsere Menschen- Familien funktionieren! Der Hengst scheint diese Energie auch zu spüren und rennt etwas verlegen, so scheint es mir jedenfalls, in den Wald. Natürlich hoffe ich, dass das Mädchen, das einige Minuten später ausser Atem das Strässchen hinauf kommt, ihren Ausbrecher wieder gefunden hat!
Der Herbst ist meine liebste Jahreszeit.Da verwandelt sich der ganze Hof in ein Schlaraffenland. Unser Garten ist ein buntes Durcheinander von Tomaten, Krautstielen, Salaten, Bohnen, scharfen Peperoncini und Radiesli. Zuhinterst wuchern meine Himbeeren, ebenfalls dicht behangen mit roten, süssen Früchten. Dazwischen liegen Baumnüsse auf dem Boden vom alles überragenden alten Nussbaum. Ich kann meine Körbe überall füllen und wir werden auch diesen Jahr wohlgenährt durch den Winter kommen. Manchmal ärgere ich mich trotz der Fülle über riesige Bluttschnecken, die meinen Salat fressen, über Mäuse und Eichhörnchen, die unsere Nüsse stehlen oder das Reh, das wahrscheinlich Christophs Privatplantage mit Himbeeren geköpft hat. Oft denke ich dann an Marisa, unsere Nachbarin in der Toscana, die mir schon vor 30 Jahren gelehrt hat: `Mer muess halt teile mit de Tierli! ' Recht hast du Marisa!
Gestern Sonntag war ein richtig düsterer Wintertag, Nebel
soweit das Auge reicht, die ganze Umgebung grau und feucht. Ein Tag um
mit Freunden hinter den Ofen zu sitzen. Wie abgemacht erschienen unsere
alten Zürcher Freunde um 11 Uhr zum Brunch an unserem langen Holztisch
in der Küche.Es lag der Geruch von frischgebackenem Zopf und Bauernbrot
in der Luft. Ein grosses Stück Berner Alpkäse, den eine Sennerin uns
direkt vom Berg ins Tal schickt krönte unsere Tafel und natürlich
verschiedene Confituren, die uns an den warmen Sommer errinnern fehlten
nicht. Wir sassen also, schwatzten, lachten, erzählten und erhoben uns
nur von unseren Stühlen, um ab und zu eine neue Flasche oder Dessert,
Früchte, Nüsse, Hümpelibauers Dawa-Schoggipudding oder ähnlichen
Nachschub zu holen. Um 17 Uhr gesellte sich die tollste aller
Holländerinnen zu uns und unsere Tafelrunde ging übergangslos in ein
friedliches Gemüserüsten und Spaghettikochen über. Neue Geschichten,
diesmal auch holländische, neue Flaschen, neue essbare Kleinigkeiten..Um
21 Uhr stellten wir erstaunt fest, dass wir seit 10 Stunden! quasi am
selben Ort gesessen hatten, nahe beieinander und ich spüre noch Tage
später die Wärme, die mich auch graue Wintertage geniessen lässt. Seit
also sehr willkommen liebe Freunde an unserem langen Holztisch in der
Küche!